DOK-Leipzig: Anima Podium, Filme und Eindrücke

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Vom 27.10. bis zum 1.11. war ich zu Gast beim 52. internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Mein Film „The Animator’s Way of Surviving the Crisis“ lief im Sonderprogramm „Neue deutsche Animation“. Der Film „Bankenkrise“ (LINK) von Till Penzek und Jon Frickey war direkt vor meinem im Programm platziert und hat das Publikum sehr gut eingestimmt. So ergänzten sich zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen auf die Thematik, was sehr gut angenommen wurde. Es hat mich sehr gefreut, meinen Film dort in dem Rahmen zeigen zu können.

JUDAS & JESUS

Ebenfalls im Programm der neuen deutschen Animation wurde „Judas & Jesus“ von Olaf Encke und Claudia Romero gezeigt, an dem ich intensiv mitgearbeitet hatte. Da ich den Film bisher weder fertig vertont noch auf großer Leinwand gesehen hatte, war ich natürlich sehr gespannt, ob alles so rüberkommt, wie wir uns das mal gedacht hatten. Der provozierende Film sorgte für viele Lacher im Publikum und wurde am Rande kontrovers diskutiert. Mir hat er sehr gefallen und ich kann ihn jedem Empfehlen, der Lust auf eine durchaus anstößige Neuerzählung einer ganz alten Geschichte aus der Sicht von Judas hat. Der Film verfügt über einen schön rockigen Soundtrack, u.a. von den Meteors und unterhält knapp 15 Minuten lang mit bösen satirischen Bildern, die sicher nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Die tanzenden, jubelnden und blökenden Schafe im Swingerclub wurden von mir animiert und es hat mir Spaß gemacht, sie endlich im Saal wieder zu treffen. Für Berliner bietet sich am 4. und 5. November die Gelegenheit, den Film beim Interfilm Festival im deutschen Wettbewerb „gegen jede Regel“ (LINK) oder am 7.11. bei der Teampremiere im Babylon zu sehen.

ANIMA TALK MIT JACQUELINE ZEITZ

Neben vielen sehr guten Filmen, die im Wettbewerb und den Sonderprogrammen zu sehen waren, hat mich der ANIMA Talk sehr angesprochen. Jeden Nachmittag lud Jacqueline Zeitz (Programmdirektorin Animationsfilm des Festivals) zum Gespräch zwischen den Filmemachern und Interessierten in das Cafe Telegraph ein. Es war spannend, viel Insider Informationen von den Kollegen zu ihren Filmen zu bekommen und darüber hinaus neue Kontakte zu knüpfen. Über den Produzenten des Films „Orgesticulanismus“ (siehe unten) habe ich z.B. von seinem Studio „Caméra etc“ (LINK)  in Belgien erfahren, welches komplett staatlich finanziert wird und das Animationsfilme mit sozialen Bezügen und oft in Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen realisiert. Nun ja, so eins hätte ich auch gerne in Deutschland.

MDR INTERVIEW

Am Mittwoch durfte ich dem MDR ein Interview für ihr Festival-Video-Tagebuch geben, das von Torsten Dewi und Andreas Simon realisiert wurde. Es ist zwar recht zerstückelt, aber ich komme zumindest kurz zu Wort und bin ganz zufrieden damit. (Rechte am Bildmaterial beim MDR und DOK-Leipzig)

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ANIMA PODIUM

Thema: Ausbildung für wen? Der Nachwuchs zwischen Hochschule und Markt

DOK-Leipzig - Animationsdiskussion

„Hochschulvertreter und Studiobetreiber, Studierende und Absolventen diskutieren über das Selbstverständnis des Nachwuchses und das der Hochschulen, über Marktanforderungen und -wünsche, über Formen der Zusammenarbeit, Risikobereitschaft und die Förderungsmöglichkeiten junger Talente.“

So stand es in der Ankündigung und ich war auf eine kontroverse Diskussion gespannt, zumal es bei der Animation durchaus einen Widerspruch zwischen „Kunst und Kommerz“ gibt. Es gibt aber auch viele Gegenbeispiele. Die thematische Auseinadersetzung gestaltete sich in der Runde aber leider nicht so kontrastreich, wie ich mir das gewünscht hätte. Olaf Encke führte seinen Film „Judas und Jesus“ als Beweis an, dass es auch in Deutschland möglich ist, Filme für ein Erwachsenenpublikum herzustellen. Christina Schindler und Sabine Hirtes erläuterten die unterschiedlichen Ansätze der jeweiligen Ausbildungsstätten, Evgenia Gostrer hielt sich aus der Diskussion weitestgehend raus. Tony Loeser und Richard Lutterbeck bestimmten die Runde und vertraten den Weg ihrer Studios, wirtschaftlich orientiert arbeiten zu müssen, dabei aber manchmal Ansätze ungewöhnlicher Gestaltungen beim Kindertrickfilm zulassen zu können.

Meine Frage an die Studiobetreiber, inwieweit sie jungen, frisch ausgebildeten Menschen in ihren Firmen Anreiz oder gar Perspektive bieten würden, um bei ihnen arbeiten zu wollen, beantwortete Tony Loeser ausweichend, aber den Gesetzmäßigkeiten der Branche entsprechend. Sinngemäß sagte er, dass Junge Menschen in den Studios Erfahrungen sammeln und manchmal von alten Animationshasen lernen können, dass Animationsberufe aber nunmal nomadisch sei und es keine Sicherheiten gibt. Die Leute reisen also den Produktionen hinterher. Das stimmt, das kenne ich von vielen, und manche halten das sogar ein paar Jahre lang durch, verzichten auf Familie und melden sich wegen der Filmförderungsbedingungen auch mal zwischenzeitlich in anderen Bundesländern wohnhaft.

Eine Zeit lang ging es um die mangelnde Vorbereitung in den Hochschulen von StudentInnen auf das spätere Berufsleben hin, verstärkt um den Aspekt der Teamfähigkeit. Die Frage, inwieweit denn Teamfähigkeit im Aufnahmeverfahren für HochschulbewerberInnen eine Rolle spiele beantwortete Christina Schindler für die HFF mit der Gegenfrage, worin sich den Teamfähigkeit während einer Bewerbungsphase widerspiegeln könnte, da es sich doch um eine Eigenschaft handelt, die StudentInnen überhaupt erst im Studium und im Berufsleben entwickeln können. Meine Erfahrung aus verschiedenen Produktionen unterschiedlicher Konstellationen sagt mir, dass beinah jeder junge Mensch in der Lage ist, sich sinnvoll und kreativ auch in kommerzielle Projekte einzubringen und dass vielmehr die Kunst eines Teamleiters darin besteht, das Team so zu organisieren, dass jeder Mitarbeiter seinen Platz findet, in dem er sich wohl fühlt und entfalten kann. Ich bekam bei der Diskussion etwas den Eindruck, dass „Teamfähigkeit“ verwechselt wird, mit der Bereitschaft, sich unterzuordnen, zu funktionieren, sich persönlich aufzuopfern und nicht aufzumucken. Klar, dass da niemand Lust zu hat – aber mir wird oft geschildert, das der Alltag im großen Studio genau dieses Verhalten verlangt und fördert. In den Hochschulen lernt man das natürlich nicht unbedingt.

Sehr schade an der ganzen Diskussion fand ich, dass die Punkte Risikobereitschaft und Fördermöglichkeit in Bezug auf neue, ungewöhnliche – meinetwegen innovative Projekte wenig angesprochen wurde. Auch hier stellten sich die Produzenten als Opfer der deutschen Fernsehlandschaft dar, die lieber billig einkauft als im Land zu produzieren oder gar etwas zu wagen. Viele Studios im Ausland beweisen aber, dass es sehr wohl möglich ist, Wagnisse einzugehen, ungewöhnliche Kurzfilme zu produzieren und das eigene Image damit zu gestalten. „Kunst“ hat dort eine Chance und beeinflusst den animierten Featurefilm auf angenehmste Weise. Eigentlich wollte ich Herrn Loeser und Herrn Lutterbeck vorschlagen, jedes Jahr einem jungen Animationstalent ein Stipendium im großen Studio zur Umsetzung eines künstlerischen Kurzfilmprojektes zu bieten. Finanziell müsste das doch zu machen sein, wenn man schon in der Lage ist, gewinnbringende Kinofilme und Serien zu produzieren. Fürs Image der Studios wärs auch klasse. Leider ist mir das Anliegen erst nach der Diskussion eingefallen.

Insgesamt war die Runde für meinen Geschmack etwas zu lahm. Klar, es lassen sich auch schwer Widersprüche herbei reden, wo keine sind. Und keiner der Gäste war irgendwie böse auf den anderen oder hatte ihm etwas ernsthaftes vorzuwerfen. Oft beschweren sich aber alle zu recht über die Situation des Animationsfilms in Deutschland und ich denke, es braucht einen etwas anderen Geist, um an diesen Umständen zu rütteln. Die Hochschulen bieten eine Menge Freiheiten für Experimente und ungewöhnliche Animationen. StudentInnen bespielen diese Freiräume und das Publikum zumindest der Filmfestivals nimmt dies gerne an. Die Wirtschaft könnte sich dem durchaus anschliessen und etwas weniger nach finanzieller Verwertbarkeit und etwas weiter als bis zur nächsten Filmförderung schielen. Wenn etwas gutes dabei heraus kommt, springen die Sender am Ende sowiso mit auf. Mir fällt nicht so recht ein, wer dabei etwas zu verlieren hätte.

PodiumsteilnehmerInnen waren:
Prof. Christina Schindler | HFF „Konrad Wolf“ | Potsdam
Sabine Hirtes | Filmakademie Baden-Württemberg | Ludwigsburg
Tony Loeser | MotionWorks GmbH | Halle
Richard Lutterbeck | Trickstudio Lutterbeck | Köln
Olaf Encke | Inkarnatoons, Absolvent 2004, HFF „Konrad Wolf“ | Berlin
Evgenia Gostrer | Studentin Kunsthochschule Kassel
Moderiert wurde die Diskussion von Vladimir Balzer (MDR Figaro).

Meine Favoriten aus dem Filmprogramm

3 Animationsfilme, die mich begeistert haben:
Runaway
von Cordell Barker (9:11 min, Kanada, 2009)
Birth
von Signe Baumane (12 min, USA/Italien, 2009)
I Know You
von Gudrun Krebitz (3:54, Deutschland, 2009)

4 Animationsfilme, die mich begeistert haben und die online zu sehen sind:
The Black Dogs Progress
von Stephen Irwin (3:14 min, UK, 2008)
Western Spaghetti
von PES – Adam Pespane (1:44 min, USA, 2009)
Please Say Something
von David OReilly (10 min, Irland, 2009)
Orgesticulanismus
von Mathieu Labaye (9:27, Belgien, 2008)

Alle Preisträger des Festivals finden sich auf der Webseite des DOK-Leipzig (LINK)

FAZIT UND FOTOS

Leipzig ist ein kleines (in Sachen Animationsfilm) aber feines Festival mit sehr persönlicher Atmosphäre. Es waren tolle Tage mit vielen alten und neuen Freunden. Ich werde wieder kommen, hoffentlich schon im nächsten Jahr. Irgendwie war ich diesmal nicht so fotoaktiv wie sonst oft, hier aber ein paar Eindrücke.

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